Wie "funktioniert" eigentlich Führung?
„Geführte“ sagt man irgendwie nicht, und die „Untergebenen“ sind auch aus der Mode gekommen. Führungskräfte sprechen häufig von „meinen Mitarbeitenden“, wenn sie diejenigen bezeichnen, deren Führungskraft sie sind. Ich selbst habe von Kolleg:innen gesprochen, als ich noch Führungskraft war. Und doch: Für jede hierarchische Organisation gilt, dass die Macht unterschiedlich verteilt ist, und dass es diejenigen gibt, die führen und diejenigen, die geführt werden.
Wer führt?
Ob eine Führungskraft wirklich die Kraft hat zu führen, entscheiden allerdings die Mitarbeitenden. Kann ja sein, dass jemand im Organigramm oben steht; die spannende Frage ist, wer wirklich das Sagen hat, wem gefolgt wird, wessen Ideen Einfluss gewinnen. Ein Führungsimpuls ohne Bestätigung durch die Mitarbeitenden entfaltet keine Wirkung.
Führung ist Interaktion
Erfolgreiche Führung ist also eine „Ver-Handlung“ zwischen Führungskraft und Geführten. Für Führungskräfte-Trainings gibt es eine Übung mit dem treffenden Namen „An der Nase herumführen“: Die Gruppe bildet Zweiergruppen aus jeweils einer Führungskraft und einem oder einer Geführten. Zwischen dem Zeigefinger der Führungskraft und der Nase des Geführten sollen die beiden sich ein Gummiband vorstellen, und dann geht’s los: Die Führungskraft führt, der/die Geführte folgt – gesprochen wird nicht. Für mich als Beobachterin ist es spannend zu sehen, welche Interaktionen funktionieren und welche Führungs-Impulse nicht erfolgreich sind:
Orientierung: Es braucht einen Anfangsimpuls, eine Richtung, eine Idee.
Rück-Sicht: Führungskräfte, die sich vergewissern, dass Finger und Nase noch eng beieinander sind, bleiben länger in Führung als Führungskräfte, die ohne Kontakt loslaufen.
Geschwindigkeit: Die Möglichkeiten der Mitarbeitenden bestimmen die Geschwindigkeit – wer das als Führungskraft ignoriert, läuft allein. Langsame oder wenig initiative Führung führt zu Langeweile und Ablenkung durch die anderen Tandems.
Kontinuität und moderate Wechsel: Schneller Zickzack und abrupte Richtungsänderungen werden, nach ersten hektischen Bemühungen, nicht nachvollzogen; Mitarbeitende bleiben stehen.
Korrektur-Fähigkeit (Selbstreflexion): Wenn der Faden gerissen ist, gehen manche Führungskräfte zurück und versuchen wieder in Kontakt zu gehen und ihr Führungsverhalten anzupassen.
Fairness: Machbare Hindernisse werden meist sportlich genommen; eine Häufung extremer Anforderungen (unter dem Stuhl durch, über den Tisch) ruft häufig Verweigerung hervor.
Führung ist dann und solange erfolgreich, wie sie durch das Handeln der Mitarbeitenden bestätigt wird. Oder kurz gesagt: Ob jemand führt, entscheiden die Geführten.
"Der ist gar kein richtiger Chef" - Erwartungen klären
Das Zitat stammt aus dem Coaching einer mittleren Führungskraft und ich habe im Gespräch ein Weilchen gebraucht, um zu verstehen, dass diese Aussage nicht auf die Organisations-Struktur gemünzt war, sondern auf das Verhalten dieses – nicht richtigen – Chefs. Der machte nämlich nicht, was mein Coachee von einer Führungskraft erwartete; konkret ging es um einen Konflikt, wo die Führungskraft ihm nicht den Rücken gestärkt hatte.
Weil Führung komplexer ist, als das oben geschilderte Spiel abbilden kann, kommst du als Führungskraft um eine Erwartungsklärung nicht drumrum: Was erwarten deine Mitarbeitenden von einer „richtigen“ Führungskraft? Mach es unbedingt konkret, also frag nach, was „Respekt“ für sie als konkretes Führungshandeln bedeutet.
Ent-Täuschungen riskieren
Erwartungen zu kennen bedeutet nicht, sie alle erfüllen zu müssen. Auch hier geht's um die Verhandlung von Führung, indem Erwartungen und Möglichkeiten aus den eigenen Köpfen in die Kommunikation gebracht werden. Und dann geht's gemeinsam auf die Teststrecke. Denn selbstverständlich können nicht alle Details der zukünftigen Arbeit so geklärt werden, dass keine Missverständnisse, Reibungen, Enttäuschungen und Konflikte entstehen.
Führungs-Kraft steigern durch Reflexion
Für dein konkretes Tun als Führungskraft hast du zwei wichtige Rückmeldungs-Instanzen:
Zum einen ganz schlicht den Erfolg: „Funktionieren“ deine Führungs-Impulse, wirst du gehört, werden deine Ideen beachtet, hast du Einfluss, kannst du Veränderungen initiieren,…
Zum anderen Rückmelderunden: Weil die Mitarbeitenden über deinen Erfolg als Führungskraft entscheiden, macht es Sinn, sie regelmäßig zu fragen, wie hilfreich sie deine Führung erleben. Das geht am besten konkret entlang der Aufgaben der letzten Monate oder eines Projekts. Am besten fragst du ab, wo du selbst unsicher bist (s. 1. Punkt).
Dieser Artikel ist Teil der Blogserie "Führungskraft entfalten - 26 Impulse für deine Führungsarbeit". Ich freue mich, wenn du hier interessante Ideen findest.
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