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Ego-Kämpfe oder Team-Erfolge?

Spannungen in Leitungsteams konstruktiv nutzen

Dicke Luft im Leitungsteam, als ich zur ersten verabredeten Team-Coaching in die Einrichtung komme: Zusätzlich zum Wechsel des Ge-schäftsführers gibt es Änderungs-druck aus der Politik, Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung, einen lang-zeiterkrankten Kollegen, eine abseh-bare Pensionierung und drohende Finanzierungslücken. Das Schwierigste aber ist die Unlust, überhaupt gemeinsam in einem Raum zu sein, die fast mit den Händen zu greifen ist. Dazu passen die Eindrücke aus den Einzelgesprächen, die ich im Vorfeld geführt hatte, und die zwischen Frustration, Wut und Kündigungswunsch changierten.

Das Leitungsteam hatte seit dem Führungswechsel zwar noch die drängendsten inhaltlichen Probleme gelöst; wichtige Entscheidungen für die Zukunft blieben allerdings in hitzigen Diskussionen stecken und hatten zu Koalitionen geführt. Zudem hatten einzelne Mitglieder des Leitungskreises in ihrer jeweiligen operativen Einheit schon unabgestimmte Entscheidungen gefällt.

Auch wenn das ein extremer Fall ist, generell gilt:

Leitungsteams sind streit-anfälliger als operative Teams

Das hat ein paar einfache Gründe:

  • Zeit ist im Topteam noch knapper als in anderen Teams. Denn seine Mitglieder sind gleichzeitig Führungskräfte für eigene Bereiche (Finanzen, Personal) oder Einheiten. Dort ist viel Operatives zu tun, dort ist die Sichtbarkeit größer. Dort ist die Letztverantwortung, d.h. Erfolge und Misserfolge sind personalisierbar.

  • Interessen aus den jeweils eigenen Fachbereichen geraten in Konflikt mit den Interessen des Gesamt-Unternehmens. Z.B. wenn ein Bereich nicht den erwarteten Umsatz bringt oder eine Business Unit einen signifikant höheren Krankenstand und eine höhere Fluktuation hat.

  • Karriere-Planungen der einzelnen Mitglieder führen zu Konkurrenz untereinander und dominieren das Verhalten in der Leitungsrunde. Besonders virulent, wenn ein Wechsel in der Unternehmensführung ansteht und mehrere Mitglieder sich für die Nachfolge positionieren.

Die vermehrten Spannungen in Topteams werden häufig von den Beteiligten als lästig und unangenehm empfunden. Daher führen sie schnell zu persönlichen Schuldzuweisungen. Dann wird jemand als "karrieregeil" bezeichnet, der (meistens ein Der) "schon am Stuhl der Chefin sägt"; jemand anders hat "den eigenen Laden nicht im Griff" und müsste "mal bei sich durchgreifen" usw.

Der Fokus auf die beteiligten Personen verkennt, dass viele Ursachen von Spannung durch den Zweck und die Anforderungen an die Topteams vorgegeben sind.

Die besondere Struktur von Topteams

Der Zweck von Topteams ist das Wohl und die Zukunft des gesamten Unternehmens; dieser Zweck ist einerseits den einzelnen Bereichen übergeordnet, kann aber andrerseits nur in ihnen verwirklicht werden. Verlagerungen von Produktionen, Schließungen von Bereichen, Investitionen in andere Bereiche müssen also im Topteam beschlossen, dann aber vor allem von der Führungskraft des betroffenen Bereichs umgesetzt werden. Dieser Zweck verlangt von den Beteiligten eine Doppelrolle - man könnte auch sagen, eine Dauerspannung. Operative Teams dagegen können sich als Team voll auf ein gemeinsames Ziel hin ausrichten und sie können durch die gemeinsame Bewältigung von Schwierigkeiten einen starken Team-Spirit entwickeln.

Die Aufgabe von Topteams ist Management (Analysieren und Bewerten der Unternehmens-Situation, Entdecken und Einschätzen von Zukunfts-Trends, kreative Szenarien-Entwicklung, Ableiten und Entscheiden von Maßnahmen, Synchronisation des Unternehmens durch Kommunikation der Entscheidungen). Diese Aufgaben sind für alle gleich und sie müssen gemeinsam bewältigt werden. Eine Arbeitsteilung nach Expertise, die für operative Teams ein Schlüsselfaktor ist, kann es in Topteams nur in der Entscheidungs-Vorbereitung geben. Wenn aber alle das Gleiche tun, ist für die einzelnen Mitglieder schwer verständlich, dass die anderen andere Bewertungen und andere Entscheidungen treffen.

Denn der Zutritt zu Topteams wird meist meinungsstarken und sicher auftretenden Führungskräften ermöglicht. Je mehr Hierarchie-Ebenen ein Unternehmen hat, desto häufiger haben die Leitungsverantwortlichen sich in Karriere-Situationen durchgesetzt und, wenn Assessments im Spiel sind, gezeigt, dass sie überzeugen können. Dieses erfolgreiche Verhalten sollen sie im Topteam zurückstellen zugunsten eines kooperativen, lernenden und abwägenden Kommunikationsstils. Nach außen sollen das Team und die einzelnen Mitglieder allerdings wieder überzeugend und sicher auftreten...

Gleichzeitig dient auch das Topteam als Karrierepool. Das kann für das eigene Unternehmen gelten (Ziel: Vorstandsvorsitzende:r oder Geschäftsleitung) oder aber als Sprungbrett für eine höhere Position woanders. In jedem Falls verlangt das von den Einzelnen, weiterhin karriererelevant sichtbar zu sein, z.B. über besondere Projekte oder Außenvertretung des Unternehmens. Der Zugang zu solchen Gelegenheiten und auf der anderen Seite die Übernahme wichtiger, aber eher unsichtbarer Aufgaben ist ebenfalls Stoff für spannungsreiche Teamdynamiken.

Wenngleich es entlastend sein mag zu verstehen, dass Spannungen und Interessenkonflikte zur Struktur von Leitungsteams gehören, liegt darin allein noch keine Lösung.

Spannungen in Leitungsteams konstruktiv nutzen

Um auf dieser Basis im Leitungsteams einen starken Teamspirit aufzubauen und gemeinsam für den Erfolg des Unternehmens zu arbeiten, sind folgende Faktoren ausschlaggebend:


Zeit für die Entwicklung des Unternehmens und des Leitungsteams

Rollen-Flexibilität und Reflexion von Interessenkonflikten

Starke Entscheidungen treffen und gemeinsam tragen

Bereitschaft mit Feedbacks zu wachsen


Safe Space statt Haifischbecken: Das Leitungsteam als Entwicklungsraum

Leitungsteams, die diese Faktoren zur Grundlage ihrer Arbeit machen, entwickeln eine starke Topteam-Kultur. Sie sind in der Lage, sich und ihre Arbeit kontinuierlich zu reflektieren und Verbesserungs-Impulse umzusetzen. Sie sind geübt, die Metaebene des Geschehens ständig mitzudenken und konstruktiv zu beeinflussen. Das nehmen sie auch mit in ihre Bereiche und verändern so auch dort die Kultur der Zusammenarbeit. Und sie wirken als Vorbild sowohl für eine starke Teamkultur als auch für die Lernbereitschaft von Führungskräften.


Eine solche Topteam-Kultur kann nur im Tun entstehen. Es lohnt sich, für Teile der Strecke eine externe Begleitung an Bord zu holen. Ein:e dafür ausgebildete Teamcoach

  • liefert die Kompetenz, solche Gruppenprozesse zielgerichtet zu organisieren und durchzuführen,

  • schafft einen sicheren Rahmen der respektvollen Arbeit auch an schwierigen Themen,

  • ermöglicht allen anderen Beteiligten sich auf das inhaltliche Arbeiten zu konzentrieren,

  • beobachtet das Team über einen längeren Zeitraum bei der Arbeit und gibt daraus wertvolle Rückmeldungen für die Teamentwicklung,

  • bereichert das Team mit Erfahrungen aus anderen Branchen, Teams und Unternehmen.

Bewährt haben sich Formate wie ein ausführliches Kick-Off zu Beginn einer Teamentwicklung und mit der Übernahme eines Teams durch eine neue Geschäftsführung. Regelmäßige Retros oder Leitungs-Retreats sichern die Weiterentwicklung.

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