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AutorenbildMarlies Mittler

Lernbooster: Begleitung


Unbegrenzte digitale Lernmöglichkeiten verändern das Lernen. Prinzipiell kann jeder Mensch mit Internetzugang alles lernen. Viele Menschen nutzen das im Alltag, „googeln“ fehlende Informationen, vertiefen sich in Wikipedia-Artikel und reparieren etwas mit Hilfe eines Youtube-Tutorials.

Aus den USA stammt das Format Massive Open Online Classroom (MOOC); minimal meint es die Online-Teilnahme an Lernveranstaltungen. Ich habe 2015 zum ersten Mal an einem MOOC der Corporate Learning Community teilgenommen. Während fünf Wochen gestalteten fünf Firmen für jeden Tag kurze Inputs, und die Teilnehmenden konnten sich in ganz unterschiedlichen Formaten zusammenfinden, um das Gelernte zu diskutieren und für sich persönlich anwendbar zu machen. Von (öffentlichen) Lerntagebüchern bis Peergruppen war alles vertreten.

Forschung über Online-Lernen zeigt, dass Menschen das Lernen früh abbrechen, wenn sie komplett allein lernen und dass andersrum soziale Lernformate genau dies verhindern. Und so gehört es zu meinen überraschendsten Lernerfahrungen, wie viel Verbindlichkeit und Motivation Online-Lerngruppen in mir erzeugt haben und wie intensiv die Verbindung zu meinen Peers ist, von denen ich die meisten ausschließlich online kenne.

Auch der Film „WORK IN PROGRESS – Auf der Suche nach einer sich wandelnden Welt“, der fünfzehn Lernwillige auf ihren Lernreisen begleitet, erzählt von den Schwierigkeiten einiger, ihre Lernmöglichkeiten in einen Lernerfolg zu verwandeln – was immer Lernerfolg für die Einzelnen bedeutete. Also beschlossen die Projektverantwortlichen der Haufe-Akademie, die das Lernprojekt s.mile aufgesetzt hatten, diesen Lernenden bei Bedarf zusätzlich persönliches Coaching zu ermöglichen.

Lernbegleitung ist ein Lernbooster

In einer Podcastfolge von Good Work beschreibt Mario Kestler, einer der Initiatoren des Projekts, folgende wichtige Effekte des Coachings:

  • Es unterstützt Menschen, das Überangebot und den eigenen Lernwunsch zusammenzubringen.

  • Es präzisiert den Lernwunsch im Lauf des Prozesses; die Erkenntnis, dass das genaue Ziel der Lernreise erst durch das Lernen und die damit verbundene Selbstreflexion gefunden werden KANN, ist aus meiner Sicht die größte Anfrage an unsere eingeschwungenen Personalentwicklungs-Prozesse und unsere linearen Karriere-Vorstellungen.

  • Es unterstützt somit auch in den Krisen des Lernens, seien es inhaltliche Krisen („Ich verstehe das nicht“) oder eben persönliche Krisen („Ich schaffe das nicht“, „Ich bin nicht erfolgreich“, „Meine Richtung stimmt nicht“).

Seit 2019 bilde ich in einem großen Unternehmen Lernbegleiter*innen aus, weil das Unternehmen eine Lernkultur entwickeln und fördern will, in der Mitarbeitende ihr Lernen selbstverantwortlich organisieren können. Lernbegleiter*innen sind Kolleg*innen, die in der unmittelbaren Umgebung der Mitarbeitenden arbeiten und in einem Teil ihrer Arbeitszeit diejenigen unterstützen sollen, die sich an sie wenden. In einigen Bereichen geht es dort sehr fundamental darum, überhaupt wieder einen eigenen Zugang zum Lernen zu bekommen und sich in die digitale Welt hineinzuwagen.

Eine weitere sehr schlichte Wirkung von Lernbegleitung kennen vermutlich die meisten aus Prüfungszeiten: Die Lerngruppe oder das Lerntandem ergänzt die eigene Disziplin, auch auf längeren Lernstrecken kontinuierlich dranzubleiben.

Lernbegleitung hat viele Gesichter und Formate

Je nachdem, welche Ausrichtung Lernbegleitung haben soll, bieten sich unterschiedliche Formate an, die sich gegenseitig nicht ausschließen. Aufgabe einer neuen Personalentwicklung ist es aus meiner Sicht, neben den Lernmöglichkeiten und -zugängen eben auch die passenden Formate zu organisieren und für eine leichte Zugänglichkeit zu sorgen. Einen ersten Eindruck über Unterschiede und Möglichkeiten liefert hoffentlich die folgende Tabelle:

Formate für einzelne Lernende

COACHING

LERNBEGLEITUNG

MENTORING

Formate für Lernen in Gruppen

PEER-LEARNING

LERN-EVENT (z.B. Barcamp)

Die Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; derzeit entwickeln sich viele selbstorganisierte Lernformate, weil sie eine gute Begleitung für das große digitale Lernangebot sind. Gleichzeitig ermöglichen sie, anders als das klassische Training, eine sehr individuelle Herangehensweise: Menschen können entscheiden, zu welcher Tageszeit in welchem Tempo mit welchen Medien und welchen Menschen sie genau das lernen, was sie wollen und brauchen.

Neue Lernmöglichkeiten - alte Lernkultur

Diese neue Art des Lernens auf der Basis der digitalen Möglichkeiten ist aus meiner Sicht bisher eher bruchstückhaft in Unternehmen und Organisationen angekommen. Die „Schuld“ daran wird gern in den Personalentwicklungs-Abteilungen gesucht. Mit dieser einfachen Schuldzuweisung verstellen Verantwortliche sich allerdings den Blick auf die Komplexität und damit auch die Schwierigkeit des Themas, wie folgende Erfahrungen aus diversen Lernkultur-Projekten zeigen:

  • Da sind die Lernenden, die erwarten, dass ihnen die Inhalte vorgesetzt werden und die ver-lernt haben, der Spur ihrer Neugier nachzugehen und ihre Entwicklung zu reflektieren und bewusst zu steuern.

  • Da sind die Führungskräfte, deren Weiterbildungs-Budget (Geld und Zeit) begrenzt ist und die daher sicherstellen wollen, dass diese knappen Ressourcen effizient eingesetzt werden

  • Da sind die Geschäftsführenden und Inhaber*innen, die ein großes Misstrauen bezüglich einer eigenständigen Lernmotivation ihrer Mitarbeitenden haben und Dinge wie Lernzeitbudgets als Kontrollverlust empfinden.

  • Da sind interne Strukturen, in denen Weiterbildungsabteilungen als Cost-Center ihre Daseinsberechtigung durch den Verkauf von Maßnahmen unter Beweis stellen müssen.

Die schlechte Nachricht: Es ist die alte Lernkultur, die dynamisches, selbstgesteuertes, experimentelles Lernen erschwert oder in Vorzeigeprojekten und Parallelstrukturen auslagert, die mit dem Lern-Alltag im Unternehmen nicht verbunden sind.

Die gute Nachricht: Es gibt viele lernbegeisterte Menschen, die Lust auf Austausch, Ausprobieren und Vernetzen haben. Einige davon kannst du hier treffen:

Hier geht's direkt zu weiteren Infos und zur Anmeldung.


Du möchtest spezifisch für dein Unternehmen über Möglichkeiten einer anderen Lernkultur nachdenken? Dann nimm gern direkt mit mir Kontakt auf.



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