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AutorenbildMarlies Mittler

Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Wie wir Lernprozesse gestalten, die die Lernkompetenz steigern


Dies ist der dritte Teil einer Blog-Reihe zum Thema „Lernen in Unternehmen“, die vom Film „WORK IN PROGRESS – Auf der Suche nach Erfolg in einer sich wandelnden Welt“ angestoßen wurde. Am 10.11. gibt es in Tübingen die Gelegenheit, den Film zu schauen und mit anderen Interessierten über Anregungen und Schlussfolgerungen ins Gespräch zu kommen (alle Infos am Ende des Artikels).

Ausgangspunkt des Films ist die Frage, was Menschen lernen würden, wenn sie es sich frei aussuchen könnten (Blogbeitrag 1). Der Film begleitet Menschen, die sich selbstorganisiert auf die Reise ihrer eigenen Lernwünsche machen (Blogbeitrag 2). Der Film zeigt eindrucksvoll, dass nicht jeder Lernangang geradeaus zum Erfolg wird – und dass auch die Projektbegleitung Änderungen im Projektdesign vornimmt. Mein dritter Beitrag fragt daher:

Was bedeutet Erfolg in Lernprozessen?

Lernen muss immer schneller gehen

In die Schule mit fünf Jahren, das Abi mit siebzehn, Berufseinstieg nach dem Bachelor mit einundzwanzig, Verkürzung der Regelstudienzeit – Ergebnisse von Reformen der letzten zwanzig Jahre. Einen ähnlichen Trend gibt es in der beruflichen Weiterbildung, nur ein Beispiel: die vormals dreitägige Trainerweiterbildung besteht inzwischen aus zwei neunzigminütigen Online-Modulen; zusätzlich gibt es weitere Module zu spezifischen Themen, die aber nicht verpflichtend sind.

Getrieben wird diese Entwicklung von zwei Bedürfnissen: Die „sich schneller wandelnde Welt“ erfordert ständige Anpassung der Menschen in ihr, und das geschieht eben über kontinuierliches Lernen neuer Dinge. Das wird verstärkt durch eine wettbewerbsorientierte Wirtschaft, die im globalen Vergleich mithalten will. Ob sie es muss, soll hier nicht Thema sein. Und auch nicht, dass wir in Deutschland interessanterweise trotzdem zu langsam vorankommen mit notwendigen Veränderungsprozessen.

Das einzige Messkriterium: Reproduktion des Lerninhalts

Selbstverständlich ist die Frage „was hinten rauskommt“, also wie effektiv Lernprozesse gestaltet sind, von großer Bedeutung. Weder der Staat, noch Unternehmen möchten Geld verschwenden. Auch für Lernende sind Geld, Zeit und Energie begrenzte und kostbare Ressourcen, deren Einsatz Sorgfalt erfordert. Und für Lerninhalte, bei denen es auf pure Reproduktion des Gelernten ankommt, passt dieses Kriterium auch sehr gut, z.B. für die theoretische Führerscheinprüfung, für das Erlernen von geregeltem Tun. Lernprozesse sind daher konsequent auf Anwendbarkeit getrimmt – und alles, was nicht direkt brauchbar ist, fällt raus. Studienleistungen werden dementsprechend an einem hohen Output-Level gemessen und bewertet. Und die Studierenden erwarten (analog dazu die Seminarteilnehmenden in der betrieblichen Weiterbildung) klare Lernziele, genaue Definitionen der Prüfungsleistungen, optimales Material (nicht zu viel) und top-Performance der Lehrenden. Das Stichwort „Bulimie-Lernen“ bezeichnet drastisch sowohl das Setting als auch den Verdruss und die Unlust der Lernenden.

Was wir wirklich brauchen: Neugier, Selbstständigkeit, Frustrationstoleranz

Ein Trainerkollege von mir ist erst nach mehreren beruflichen Stationen in der Weiterbildung gelandet. Er hat sicherlich auch in den Bereichen gute Arbeit geleistet, aber es hat ihn nicht zufriedengestellt. Er hatte den Mut, sich das einzugestehen und die Beharrlichkeit, mehrmals neu anzufangen, dazuzulernen, Anfänger zu sein. Und genau das macht ihn zu dem erfolgreichen Trainer, der er jetzt ist.

Auch im Film werden Menschen gezeigt, die ihren Weg erst suchen, die noch nicht genau wissen, wohin ihre Lernreise gehen soll. Sie nehmen sich etwas vor, sie lernen – und merken erst beim Tun, dass das nicht das Richtige ist. Ihr Lernweg ist also im Sinne der Effizienz nicht erfolgreich; persönlich haben sie allerdings auf vielen Ebenen gelernt. (Das soll nicht zynisch klingen, solche Umwege und gefühlte Sackgassen sind häufig sehr schmerzlich).

Alle Zukunftsszenarien beschreiben, dass wir genau diese Skills in unserer Gesellschaft und in den Organisationen brauchen: Neugier, Selbstständigkeit, Frustrationstoleranz, Flexibilität. Aus lauter Verzweiflung werden diese Skills jetzt wahlweise ebenfalls zu Trainings-Themen oder sie werden als Mindset bezeichnet, also als Einstellung, die man besser haben sollte, wenn man erfolgreich sein will.

Gute Lernprozesse ermöglichen Fehler und deren Reflexion

Da wir alle Lernende sind, wissen wir das. Gute Lernprozesse geben Menschen die Zeit, Neues auszuprobieren und dabei nicht sofort erfolgreich zu sein. Sehr anschaulich dargestellt von Yoann Bourgeois in einem faszinierenden Video, das heute bei LinkedIn in meine Timeline gespielt wurde.

Damit Rückschritte und Fehler „nützen“, müssen sie allerdings reflektiert und auf ihren Lern-Beitrag hin untersucht werden. Hier könnte Lernbegleitung einen wichtigen Beitrag leisten. (Mehr dazu im nächsten Beitrag).

Wenn wir in Organisationen solche Lernprozesse aufsetzen, erhöhen wir - neben dem zu lernenden Inhalt - die Lernkompetenz der Lernenden, also ihre Fähigkeit, ins Unsichere zu gehen, etwas auszuprobieren, das Gelingen zu reflektieren und mit den Erfordernissen ihres Arbeitsalltags in Beziehung zu bringen. Wer diese Systematik für sich internalisiert hat, kann alles - lernen!

Auch die Personalentwicklung muss sich iterativ organisieren

Es ist ein weiteres Highlight des Films „Work in Progress“, dass wir auch Einblicke in die Projektorganisation der Haufe-Akademie erhalten. Wir erfahren, dass auch das Projektdesign verändert wird, weil es nicht wie gedacht funktioniert.

Corporate Learning als eine Stelle im Unternehmen, die wirksame Lernprozesse iterativ organisiert und so gleichzeitig Selbständigkeit, Flexibilität und Frustrationstoleranz trainiert – wer Lust hat, sich darüber auszutauschen, ist herzlich eingeladen

Wir freuen uns, wenn du dabei bist.


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